Jeannette Noëlhuis, eine Gemeinschaft der Catholic Worker

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Seit 1988 befindet sich das Jeannette Noël Haus im Amsterdamer Stadtteil Bijlmermeer. Etwa zwanzig Personen leben zusammen in fünf miteinander verbundenen Wohnungen. Die Quelle der Inspiration für unsere Gemeinschaft ist Matthäus 25: ‚Was ihr dem geringsten eurer Mitmenschen getan habt, das habt ihr mir getan‘.

Unser Haus bietet Platz für ein Dutzend Asylbewerber ohne richtige Papiere. Es sind Männer, Frauen und Kinder aus unterschiedlichsten Ländern, in denen das Leben unerträglich ist. Sie flohen, weil sie Mitglieder einer verbotenen Gewerkschaft oder politischen Partei waren oder weil sie eine wirtschaftliche Verbesserung suchten. Einige kamen als lebende Ware von Menschenhändlern. Anwälte versuchen, Asylverfahren ein zu leiten, in der Zwischenzeit können sie in unserem Haus bleiben. Im Durchschnitt bleiben die Leute ein Jahr, manche viel länger.

Flüchtlinge finden den Weg zu unserem Haus über Flüchtlingsorganisationen. Manchmal bringt Bewohner auch die Polizei: Kinder, die sie lieber nicht ins Gefängnis stecken möchten, oder Frauen, die schwer misshandelt worden sind. Einige verlassen das Noël-Haus mit einer Aufenthaltsgenehmigung, andere entscheiden sich für die Illegalität. Wieder andere gehen in ihr Herkunftsland zurück oder bitten anderswo um Asyl.

Christlicher Anarchismus

Die Kerngruppe der Niederländer besteht derzeit aus fünf Personen. Sie kümmern sich um die täglichen Angelegenheiten des Hauses. Außerdem wohnen in der Nähe etwa acht Gemeindemitglieder, die sich ebenfalls sehr für das Haus engagieren. Sie essen oft mit, nehmen an den Gebeten teil, beteiligen sich an den von der Gemeinschaft organisierten Friedensaktivitäten, sind bei Gesprächsrunden dabei und haben Anteil an den Höhen und Tiefen aller Bewohner des Hauses.

Die Gemeinschaft ist inspiriert von den Ideen der pazifistisch-anarchistischen Catholic-Worker-Bewegung, die 1933 in New York von Dorothy Day (1897-1980) und Peter Maurin (1877-1949) gegründet wurde. Bei weitem die meisten Catholic-Worker-Häuser gibt es in den Vereinigten Staaten: insgesamt etwa 175. In Europa hat der Catholic Worker seit den späten 1980er Jahren Wurzeln geschlagen. Neben zwei Gemeinschaften in den Niederlanden gibt es auch Gemeinschaften in Deutschland, Großbritannien, Schweden und Frankreich. Die Bewegung ist nie institutionalisiert worden, ganz im Sinne der anarchistischen Philosophie. Es gibt keine zentrale Behörde oder formale Mitgliedschaft. Alle Gemeinschaften teilen jedoch eine Lebensweise, in der Gebet, Gastfreundschaft, direktes soziales Handeln und Einfachheit eine wichtige Rolle spielen.

Gekannt werden und gesehen werden

Diese verschiedenen Aspekte des Gemeinschaftslebens stehen manchmal in einer Spannung zueinander. Wenn wir unsere Gottesdienste in der Kapelle abhalten, die direkt neben der Gemeinschaftsküche liegt, werden wir regelmäßig durch den Lärm spielender Kinder auf dem Flur oder durch laute Gespräche in der Küche gestört. Das Haus wirkt manchmal wie einen Taubenschlag, in dem alle möglichen Leute ein- und ausgehen: Freunde von Mitbewohnern, Freiwillige, die kommen, um Ungterricht in Niederländisch zu geben oder Aktivitäten mit den Kindern zu unternehmen, Spenden, die abgegeben werden. Nicht gerade eine ruhige, besinnliche Atmosphäre.

In der Praxis des Zusammenlebens als idealistische Niederländer müssen wir ständig ‚Wasser in den Wein gießen‘. Viele Lebensstilentscheidungen, die für uns selbstverständlich sind, sind es für unsere Mitbewohner nicht: Vegetarismus, Recycling, ziviler Ungehorsam gegen ungerechte Gesetze. Wir müssen also zwischen unseren Ideale und den Bedürfnissen und Wünschen unserer Mitbewohner navigieren.

Das Zusammenleben in einer solchen multikulturellen, multireligiösen Gemeinschaft ist herausfordernd. Die meisten Flüchtlinge sind traumatisiert und kämpfen mit psycho-sozialen Problemen. Dennoch ist es unsere Erfahrung, dass fast alle ihr Bestes geben, um auf angenehme Weise miteinander auszukommen. Auf wundersame Weise klappt das meist sehr gut. Menschen aus ganz unterschiedlichen Kulturen und Religionen werden miteinander verbunden, einfach dadurch, dass sie gemeinsam einen Haushalt führen und Zeit miteinander verbringen. Das Wichtigste ist nicht einmal, dass die Menschen ein Dach über dem Kopf oder etwas zu essen haben. Das Wichtigste ist, dass die Menschen gekannt sind und gesehen werden, dass sie wissen, dass es andere gibt, die sie wertschätzen. Wir sehen Mitbewohner, die in den ersten Tagen etwas schüchtern am Tisch sitzen, aufgrund der familiären Atmosphäre im Haus jedoch immer in kurzer Zeit aufblühen.

Eine Heilige für unsere Zeit

Dorothy Day und die Catholic Worker werden auch in den Niederlanden immer bekannter. Im Jahr 2020 übersetzten wir die Autobiographie, die der amerikanische Autor und Friedensaktivist Jim Forest über sie schrieb (1). Ihre Lebensgeschichte scheint viele zu inspirieren, innerhalb und außerhalb der Kirchen. Ihr Beispiel des Gebets, der freiwilligen Armut, der radikalen Solidarität mit den Ärmsten und des mutigen Einsatzes für Frieden und Gerechtigkeit spricht auch viele Menschen jetzt und hier an.

Die aktuellen ökologischen und sozialen Probleme machen immer deutlicher, dass die Gesellschaft nicht so weitermachen kann, wie bisher. Dorothy Day ist eine ‚Heilige für unsere Zeit‘. Auch die katholische Kirche erkennt dies an. Die amerikanischen Bischöfe haben formell den Prozess der Heiligsprechung eingeleitet.

https://noelhuis.nl/

(1) Alles ist Gnade, Damon Verlag, 2020